HR-Analyse muss nicht kompliziert sein

Die Ansprüche von Seiten des Business haben sich verändert: HR-Profis werden heute nur noch ernst genommen, wenn sie ihre Entscheidungen mit Fakten, Analysen und handfesten Daten unterlegen können. Der Weg dorthin ist oft kürzer, als man denkt.

Fakten- oder evidenzbasiertes Human Resource Management (HRM) bezeichnet eine Reihe von Strategien und Analysen von personenbezogenen Daten im HR (z. B. Daten aus Mitarbeiterbefragungen, Talentmanagement oder Führungskräfteentwicklung). Beim Thema People Analytics (oder Human Capital Analytics) werden dabei oft Daten aus anderen Bereichen mit einbezogen, etwa von Finance oder aus der Marktforschung.
Neu hinzu kommen werden heute noch futuristisch anmutende Praktiken wie die automatisierte Analyse von Stimmen, Tastatureingaben, Bewegungssensoren, GPS-Trackern oder Robotern, die entlang des gesamten Employee-Lifecycle laufend Daten sammeln (für Informationen zu einem Nationalfonds-Projekt zu diesem Thema siehe http://www.faa.unisg.ch/de/hr-analytics-das-projekt). Das Ziel ist dabei immer, personalbezogene Entscheide mit Fakten zu stützen und dadurch den Unternehmenserfolg gezielt zu steuern.
Das ist allerdings für viele Unternehmen heute noch Zukunftsmusik. Doch es zeichnet sich ab, dass es in naher Zukunft beinahe unmöglich sein wird, effektive HR-Entscheidungen ohne eine solide Datenbasis treffen zu können.
Aber nicht immer muss faktenbasiertes HR nach Science Fiction tönen. Wer die folgenden Tipps beachtet, hat gute Chancen, den Einstieg in erste, einfache HR-Analysen zu schaffen – und positive Resonanz aus zu lösen. Und das mit verhältnismässig einfachen Mitteln.

  1. Verfolgen Sie die richtigen Ziele
    Selbst die spannendsten Erkenntnisse aus People-Analytics-Projekten laufen Gefahr, wirkungslos zu verpuffen, wenn sie nicht aktuelle und relevante Fragestellungen im Unternehmen beantworten, die die Geschäftsleitung beschäftigen. Die Erkenntnisziele von HR-Datenanalysen sollten darum einen direkten Bezug zu aktuellen Themen Ihres Unternehmens haben. Folgende Fragen können dabei helfen, die Relevanz für die Zielgruppe sicherzustellen: Hilft meine Analyse, Kosten zu reduzieren? Hilft sie, (Personal-)Risiken zu identifizieren? Helfen die Resultate dabei, besonders wertvolle Mitarbeitende zu identifizieren und sie langfristig ans Unternehmen zu binden?
    Empfehlung: Beim Sammeln von Fragestellungen die Linie und die Geschäftsleitung eng mit einbinden.
  2. Verwenden Sie vorhandene Daten
    Um das Erkenntnisziel der Analyse zu erreichen, müssen oft gar keine neuen Daten gesammelt werden: Viele Unternehmen messen und sammeln bereits heute eine Fülle von Personaldaten, angefangen von A – wie Austrittsgespräch, über M wie Mitarbeiterengagement bis Z wie Zielvereinbarungsprozess. Diese Daten bieten oft bereits eine breite Grundlage für erste Analysen. Häufig liegen  sie allerdings nicht an einem zentralen Ort, sondern die Datensilos müssen zuerst zusammengeführt werden. Das gelingt meist mit eindeutigen Identifikationsvariablen (z.B. Personalnummer oder E-Mail-Adresse), die zum Verknüpfen genutzt werden können.
    Empfehlung: Überblick über vorhandene Daten schaffen und an einem zentralen Ort ablegen (z. B. einer gut strukturierten Excel- oder Access-Datenbank) – Daten auf der tiefstmöglichen Ebene zusammenführen – loslegen (selber, oder mit der Unterstützung eines erfahrenen HR-Analytics-Beraters).
  3. Verlieren Sie sich nicht in Details
    K.I.S.S. – Keep it short and simple ist eine Empfehlung aus dem Marketing. Sind Analysen verfügbar, gilt es, die Resultate so einfach wie möglich (aber nicht einfacher!) zu präsentieren. Gehen Sie davon aus, dass Ihr Gegenüber weder Hobby-Statistiker noch Quantenphysiker ist. Unsere Erfahrung ist: Auch einfache Mittelwertsberechnungen bringen viele Zuhörer schon an die Grenzen ihres mathematischen Verständnisses. Es ist Ihre Aufgabe, wichtige Erkenntnisse dennoch auf den Punkt zu bringen.
    Empfehlung: Kurz und knapp wichtige Erkenntnisse zusammenfassen – bei Bedarf einfache Analogien, Schlüsselbotschaften, Bilder, Infografiken, Videos etc. nutzen.
  4. Verbinden Sie einzelne Datenpunkte zu einer Geschichte
    Besonders interessant werden Analysen dann, wenn nicht einzelne, isolierte Kennzahlen aufgelistet werden, sondern wenn mehrere Resultate aus unterschiedlichen Quellen zu einem grossen Ganzen kombiniert werden können. Ist beispielsweise die Fluktuation in gewissen Abteilungen in den letzten Jahren laufend gestiegen (Daten vom HR Controlling), das Engagement der Mitarbeitenden kontinuierlich gesunken (Daten aus der Mitarbeiterbefragung), und gleichzeitig die Kriterien für die Zielerreichung immer mehr erhöht worden (Vorgaben des Konzerns), kann das ein Hinweis darauf sein, dass der Zielsetzungsprozess korrosive Züge angenommen hat und angepasst werden muss.
    Empfehlung: Kennzahlen in einen konkreten Bezug zueinander setzen – mit Daten eine Geschichte erzählen, die mit Zahlen und Fakten untermauert ist – dabei die Bedürfnisse der Empfänger (z. B. bzgl. Granularität der Auswertungen) im Auge behalten – einen Spannungsbogen aufbauen in der Geschichte, die Sie erzählen.
  5. Vergleichen Sie sinnvoll
    Bei vielen Analysen wird sich zum Schluss die Frage stellen: «Ist das jetzt ein guter oder schlechter Wert?» Ist etwa das Resultat, dass Ihre Top-Performer im Durchschnitt die Firma nach vier Jahren wieder verlassen, besorgniserregend? Hierzu gibt es drei Strategien, die bei der Beantwortung dieser Frage helfen: Vergleichen Sie dieses Resultat
    intern mit anderen Mitarbeitergruppen (z. B. mit den «Nicht-Top-Performern» oder anderen Abteilungen), mit Werten aus dem Vorjahr (Veränderungen helfen, Trends zu identifizieren) oder mit unernehmensexternen  Datenpunkten (Benchmarking). Zudem hilft der Fachaustausch mit Kollegen oder mit Unternehmensberatern, die sich auf diese Art von Fragestellungen spezialisiert haben. Formulieren Sie zum Schluss einen eigenen Standpunkt, denn es gilt: «Without an opinion, you’re just another person with data» (Milo Jones and Philippe Silberzahn).
    Empfehlung: Erhobene Messgrössen aus möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven bewerten – sich Gedanken zur Bedeutung des Zahlenmaterials machen – Empfehlungen formulieren.

Original-Artikel

Quelle: Persorama
Ausgabe: 06/2018